• Offizieller Beitrag

    “Hm, ja, das sollte gehn.“ Morgan schaute zu seinem Werk empor. Ein weißes ovales Schild, an robusten Ketten befestigt, prangte nun über der Eingangstür. Auf dem Schild hatte Morgan in seiner ihm möglichen besten Schrift “Zum schartigen Schwert“ gemalt. Mit verschnörkelten Buchstaben, wie er sie immer auf den Schildern in Corinnis bewundert hatte. Ja, er war mit seiner Arbeit zufrieden.

    Unter dem Schild hing ein abgenutztes Schwert - sein Schwert. Schartig, lange nicht mehr geschliffen und geölt, hatte es nun seinen letzten Platz gefunden. “Letzte Ruhestätte“ schoss Morgan durch den Kopf, “wie passend für ein Ding, dass so vielen Leid und Tod brachte“. Nun gab es seiner neuen Professur den Namen.

    Eigentlich sollte das Schwert keine Abnutzungserscheinungen aufweisen können. Von Elbenschmieden gefertigt, hätte es alle Schandtaten unbeschadet überstehen sollen. Doch seiner Erfahrung nach war das eine Mähr. Nach unzähligen gespalteten Helmen samt den darin enthaltenen Schädeln, den durchstoßenen Kettenhemden und abgehauenen Gliedmaßen waren Elbenklingen ebenso stumpf und schartig wie Zwergenäxte.

    Tiefenklaue hieß das gute Stück, dass nun seinen Eingang verzierte. Der Eingang führte in seine neue Taverne, seinen Ruhesitz. “Das Reisen hat ein Ende, altes Haus“, Morgan blickte über die Straße, hin zum Weltenportal, welches vor zirka 20 Jahren wiederentdeckt wurde. Man sagt, es stammt von den Seemeistern, jenen sagenumwobenen Beschwören längst vergangener Tage und längst vergessener Macht. Schnell entwickelte sich eine kleine Stadt rund um dieses Portal. Jeder hoffte auf schnelles Gold, Abenteurer auf reiche Beute jenseits dieser Welt, die Herrschenden auf Ausbreitung ihrer Macht.

    Nun, nichts davon hat sich erfüllt. Mancher Kampf wurde gefochten, doch letztendlich wurde es ein Handelsportal mit anderen Welten. Er selbst hatte es nie benutzt. Seine Aufträge führten ihn quer durch die Kontinente Midgards, aber nie über dessen Grenzen hinaus.

    Das alles war nicht meins, aber eine Taverne gegenüber dieser Attraktion sollte funktionieren“. Morgan schaute wieder auf sein Schild und Schwert. Er nickte zufrieden. “Morgan, denke daran, du heißt nun Morgan. Konzentriere dich, denk an deine Geschichte, bleib dabei!“, redete er leise mit sich selbst. Er schaute sich um, betrachtete das rege Treiben um sich herum. “Ja, wieder und wieder ja, es muss einfach klappen. Heute Abend wissen wir mehr.“ Morgan schnappte sich den dreistufigen Schemel, den er zum Anbringen des Schwertes benötigt hatte und ging hinein in seine neue Taverne.

    Innen war es gemütlich, nicht schön, aber gemütlich. Ein Feuer prasselte im großen Kamin. Abgenutzte Stühle und Tische bildeten das Inventar. Aber sie waren sauber. Wie lange hatte er diese Dinger schrubben müssen! Dafür waren sie günstig gewesen. Hinten im Raum war sein Reich: Tresen, Fassstapel und eine kleine Küche, auf der schon ein Kessel Lammeintopf für heute Abend köchelte.

    Heute Abend“, Morgan setzte sich wieder in Bewegung, bereit, die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung zu machen.

    Die Sanduhr zeigte dreiviertel und deutete damit an, dass noch drei Stunden zu vergehen hatten, bis das Schartige Schwert seine Pforten öffnen würde.

    Morgan stand am gusseisernen Kessel seiner Feuerstelle, bewaffnet mit einem groben und mit Lammeintopf gefüllten Holzlöffel in der linken und seinem Speziaslgewürz in der rechten Hand. Er blies sorgsam und kontinuierlich über den Eintopf. Wie oft hatte er dieses Gericht für sich zubereitet? Und wie oft sich beim Abschmecken den Gaumen verbrannt? Morgan schmunzelte, “fast jedes Mal, gehört irgendwie dazu wie ein eingeübtes Ritual“ und schob den noch viel zu heißen Löffel in den Mund. Ein wenig escharischer Kreuzkümmel und urrutisches Senföl. Abgerundet. Perfekt.

    Er hang den Kessel höher, so dass er nur noch die Temperatur hielt und bemerkte das Klopfen an der Tür. Er ging nach vorne und öffnete die Tavernentür. Draußen stand Meister Canz, wie verabredet, und der süß herbe Geruch frisch gebackenem Brotes stieg Morgan in die Nase.

    Eigentlich war das ein Phänomen, das Morgan sich nie hatte erklären können. Alles an ihm wurde im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Halbes Ohr, ein Finger, zertrümmertes Knie, Schmarren und Narben überall. Aber seine Nase blieb wie durch ein Wunder unangetastet. Dabei war es der Körperteil, der am meisten abstand (wenn man mal von etwas temporär anderem absah). Helme, Schwerter, Schilde, alles sah er brechen, aber sein riesen Gummel blieb unangetastet. Er schüttelte sich innerlich kurz und sah Meister Canz an. Dieser wiederum strahlte aus freudiger Erwartung des Lobes über sein Backwerk wie ein Honigkuchenpferd. Morgan dachte kurz über diesen Begriff und seiner Herkunft nach, ermahnte sich dann aber sofort wieder zur Ordnung.

    Meister Canz, wunderbar, dass sie es selber einrichten vermochten, mich mit ihrer Ware zu beliefern.“ “Nun, in Gedenk einer zukünftigen Wirtschaft zwischen unsereins beliebte es mir selbst Handzulangern.“ Oh, wie Morgan dieses Aufgesetzte hasste. Meister Canz war einfacher Bäcker, ein lumpiger Handwerker. Und nur weil er, nein, wie Morgan hörte dessen Vater ein lukratives Abkommen mit den valianischen Fürstentum abschließen durfte,...
    Er hasste ihn, egal wie er es auch drehte, dieses aufgesetzte Spießertum drehte ihm den Magen um. “Herrlich Meister Canz, und wie alles duftet. Was bin ich ihnen schuldig?“ Morgan beglich die Rechnung und verbrachte die noch lauwarmen Laibe Richtung Küche. Dort schnitt er sich einen dicken Knust ab, biss herzhaft hinein und kaute langsam auf dem Bissen. Es würde wunderbar zum Lamm passen.
    Morgan hatte versucht kurz nach Mittag ein wenig zu ruhen. Aber der Schlaf wollte einfach nicht kommen. So lag er wach, starrte zur Decke und fragte sich, welche Situation ihn veranlasst hatte, diesen radikalen Schritt zu wagen. Doch bevor er eine befriedigende Antwort gefunden hatte, raffte er sich wieder auf. Bis zur Eröffnung gab es noch viel zu tun...

    Morgan schaute sich noch mal im Schankraum um. Hinter dem Tresen hatte sich Juan eingefunden, der ihm in den letzten Tagen gut zur Hand gegangen war. Also hatte Morgan ihn fest eingestellt. Das erste Fass wealandisches Dunkelbier hatten sie zusammen angestochen und schon mal einen guten Humpen des Gebräus getrunken. Natürlich nur, um sich von der Qualität persönlich überzeugen zu können. An der Seite des Tresen stand ein Gegenstand, auf den Morgan besonders stolz war, ein Samowar, ein silbernes Kochgefäß zum Teekochen.

    Morgan schnaufte durch, reckte sich und berührte damit kurz die Decke, ging zur Tür und lauschte. Er hatte recht, die große, dumpfe Glocke des Val-Tempels hallte durch die Straßen Thallassas und rief die Gläubigen zum Gebet.

    Das mit dem Glauben hatte sich Morgan nie wirklich erschlossen. Wenn man ihn fragen würde, ob er einer Gottheit anhinge, wüsste er nicht, was er antworten sollte. Er räumte den Göttern ja ihre Existenz ein. Aber bitte sollten sie sich um ihren Kram kümmern und ihn in Ruhe lassen. Morgan grummelte, was er immer tat, wenn es um dieses Thema ging. Er schloss die Tavernentür auf, schob sie zur Straßenseite weit auf und sperrte sie mit einem Kreideständer gegen das Zufallen. Auf dem Kreideständer hatte er wieder mit der gleichen schnörkeligen Schrift sein heutiges Angebot verfasst:

    Neueröffnung

    Nur heute
    Lammeintopf 75 KS
    Dunkelbier 15 KS

    Willkommen

    ...rauf, rauf, rauf, immer schön die Treppe rauf...

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